Naturschutzgebiet Emmericher Ward

Klaus Markgraf-Maué, Foto: Otto de Zoete

Klaus Markgraf-Maué ist als Schutzgebietsbetreuer schon seit vielen Jahren für dieses besondere Naturschutzgebiet in der Rheinaue westlich der Emmericher Rheinbrücke verantwortlich. Er erklärt dessen Besonderheiten und was vor Ort getan werden muss, um dieses Kleinod zu erhalten.

Klaus, was macht die Emmericher Ward für dich besonders?
Dieses Gebiet ist einmalig. Es ist Vielfalt der Lebensräume und Arten, die für Fluss und Aue typisch sind, die mich jedes Mal begeistern, wenn ich dort bin.

Teile des Gebietes zeigen noch heute beispielhaft die alte Kulturlandschaft der Auen des Niederrheins mit großen Feucht- und Überschwemmungswiesen, Flutmulden und Altwassern. Im rheinnahen Teil hat sich in den letzten 30 Jahren ein Mosaik aus wild-verwachsenem Auenwald, üppigen Feuchtstaudenfluren – das sind Bestände bunt blühender Wildpflanzen, die zum Teil größer als wir Menschen werden – und breiten Kies- und Sandufern mit Wildnis-Charakter entwickelt.

Karte des Naturschutzgebiets, Gestaltung: Christoph Frauenlob

Warum genau ist die Emmericher Ward ein Naturschutzgebiet?
Hier gibt es wieder einen naturnahen, vielfältigen und artenreichen Auenwald. Dazu kommen so genannte Feuchtstaudenfluren, dort wachsen die vorhin genannten krautigen hohen Pflanzen. Das Wasser ist hier sehr präsent durch Überschwemmungswiesen, Altwasser und den Rhein. Das gibt es nur noch selten in der Landschaft, deshalb ist die Ward Rückzugsort für gefährdete Pflanzen und Tierarten. Am Ufer gibt es außerdem Halbtrockenrasen mit ganz spezialisierten Pflanzen und Insekten.

Zahlreiche seltene Vogelarten brüten an den Auengewässern. In den feuchten, extensiv bewirtschafteten Überschwemmungswiesen leben bodenbrütende Wiesenvögel. Diese werden in der Agrarlandschaft immer seltener. So gibt es hier noch den in Europa vom Aussterben bedrohten Wachtelkönig. Das Grünland, also die landwirtschaftlichen Flächen der Ward, liefern zudem den überwinternden arktischen Gänsen Nahrung.

Warum sind die Lebensräume so wertvoll?
Flussauen gehören zu den „Hotspots der Artenvielfalt“ in Mitteleuropa. Der Wasserspiegel schwankt im großen Maße, es kommt teilweise zu großräumigen Überflutungen. Diese führen dazu, dass Kiesbänke, Sand und Lehm ab-, an- oder umgelagert werden. Der Fluss prägt diese dynamische, in ständiger Veränderung befindliche Landschaft mit einer besonders großen Vielfalt an Lebensräumen und Strukturen. Diese Veränderungen sind essentiell für viele Tier- und Pflanzenarten der Auen!

Viele der wasserabhängigen Lebensräume der Auen sind aber selten geworden und im Bestand gefährdet. Das hat viele Gründe: begradigte Flüsse, die Trennung von Fluss und Aue durch Deiche und schnell abgeführtes Wasser aus der Landschaft. Deshalb drohen besonders artenreiche Lebensgemeinschaften zu verschwinden. In der Ward haben seltene und gefährdete Auenarten wie Wachtelkönig, Blaukehlchen oder die gelb blühende Sumpfwolfsmilch einen Rückzugsraum.

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Aufnahmen aus dem Naturschutzgebiet Emmericher Ward

Wie ist der derzeitige Zustand des Gebiets?
Es gibt leider eine Reihe von Problemen im Gebiet: Die Grundwasserstände sinken seit Jahrzehnten, weil sich der Rhein immer weiter eintieft. Die aktuellen Dürren verschärfen und beschleunigen das Problem. Auch Überflutungen werden seltener, die sind aber notwendig in Auenlandschaften.

Deshalb verlieren wir wertvolle Lebensräume, die von Wasser und Feuchtigkeit abhängig sind. Das Problem betrifft das gesamte Internationale Feuchtgebiet Unterer Niederrhein, das in der Abgrenzung in etwa dem Vogelschutzgebiet entspricht (mehr Infos auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz). Wir bringen im Gebiet viele Maßnahmen auf den Weg, um Wasser zurückzuhalten und den Wasserhaushalt zu stützen.

Was genau machen wir dort?
Es ist ein ganzes Bündel von Aktivitäten, die wir durchgeführt haben, an denen wir gerade arbeiten und die wir noch planen. Um die Anbindung an den Rhein und den Wasserhaushalt der Aue zu verbessern, werden regulierbare Staue in Entwässerungsgräben eingebaut. Ein zusätzliches Sieltor hält das Wasser nach Überschwemmungen im Gebiet zurück. Altwasser und Flutmulden werden wieder ausgehoben. Und wir haben die erste regelmäßig durchströmte Rhein-Nebenrinne am Niederrhein angelegt!

Wir beobachten, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt des Gebietes entwickelt und arbeiten Maßnahmen aus, um die bedrohten Arten und ihre Lebensräume zu erhalten und zu verbessern. Nicht zuletzt sorgen wir in Zusammenarbeit mit den Landwirten im Naturschutzgebiet für die naturschutzgerechte Bewirtschaftung des artenreichen Auengrünlandes, also der landwirtschaftlichen Flächen hier in der Aue.

Kann man die Emmericher Ward betreten oder besichtigen?
Die Auenlandschaft und typische Lebensräume der Emmericher Ward lassen sich gut vom Banndeich aus erleben. Ein Fuß- und Radweg am Deich begleitet das Gebiet auf der gesamten Länge und bietet Einblicke in die Aue. Von hier aus lässt sich auch die Vogelwelt der Altwasser und der offenen Auenlandschaft beobachten.

Im Übrigen möchte ich Sie bitten, auf den Wegen zu bleiben, so wie es hier vorgesehen ist. Das ist sicher leicht zu verstehen, wenn man weiß, dass hier wirklich viele seltene Arten leben. So können etwa Vögel beim Brutgeschäft leicht gestört werden.

Sowohl wir als auch der NABU-Kreisverband Kleve veranstalten zu passenden Zeiten und in gut ausgesuchten Teilen recht regelmäßig Exkursionen ins Gebiet. So kann man die Ward geführt entdecken.

Was wünschst du dir für die Zukunft für das Naturschutzgebiet?
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es gelingt, wieder mehr Wasser in das Gebiet zu bringen, um es wieder als dynamische Auenlandschaft und artenreiches Feuchtgebiet zu entwickeln und erlebbar zu machen. Da hängt mein Herz dran und inzwischen auch über 25 Jahre Arbeit hier (lacht).

Steckbrief

Lage: Nordkreis Kleve, rechtsrheinisch, Rheinaue/Deichvorland zwischen Emmerich und niederländischen Grenze, südlich von Hüthum
Größe: 310 Hektar
Schutzstatus: Naturschutzgebiet, FFH-Gebiet, Teil des VSG Unterer Niederrhein
Jahr der Ausweisung als Naturschutzgebiet: 1985
Landschaft und Naturraum: aktive Rheinaue mit offenem Grünland-Altwasser-Komplex im Westen, Grünland-Heckenlandschaft mit Feldgehölzen im Osten und Auenwald-Entwicklungsstadien und Staudenfluren am Rhein, naturnahe Rheinufer
Einige seltene Pflanzenarten im Gebiet: Sumpfwolfsmilch, Schwanenblume, Großer Ehrenpreis, Wiesensalbei, Nadelsimse, Seekanne, Fluss-Greiskraut, Zierliche Kammschmiele,
Einige seltene Tierarten im Gebiet: Kammmolch, Wachtelkönig, Blaukehlchen, Wiesenpieper, Flussufer-Wolfsspinne, Biber, Schwarzkehlchen, Flussregenpfeifer, Teichrohrsänger,
Ansprechpersonen: Klaus Markgraf-Maué und Lena Wiest

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